Spätestens seit dem 13. Juli 2014 hat Bastian Schweinsteiger in Deutschland einen Ruf. Im WM-Finale gegen Argentinien war er es, der sich mit blutverschmiertem Gesicht und gezeichnet von einer intensiven Partie vom Rest der Nationalmannschaft abgehoben hatte. Keine Frage, auch die anderen DFB-Spieler hatten ihren Beitrag geleistet. Doch in einem Punkt waren sich nahezu alle Fußball-Experten einig: Ohne den unbedingten Siegeswillen und den aufopfernden Kampf des damaligen Bayern-Profis wäre der WM-Titel weitaus unwahrscheinlicher gewesen. Schweinsteiger, in Deutschland und weiten Teilen Europas zu diesem Zeitpunkt durchaus schon bekannt, wurde über Nacht zu einer globalen Marke.
Nach dem Triumph mit der Nationalmannschaft kickte Schweinsteiger noch ein Jahr beim FC Bayern, gewann eine weitere Meisterschaft und einen weiteren DFB-Pokal, doch für seine persönliche Entwicklung bedurfte es einen neuen Schritt. Am 13. Juli 2015, also genau ein Jahr nach dem Sieg bei der WM in Brasilien, verkündete Schweinsteiger, dass er in die Premier League zu Manchester United wechselt. Der Transfer vom deutschen zum englischen Rekordmeister wurde medial vom Werbespot einer globalen Marke für Kopfhörer begleitet. Kommerzielle Inszenierung bis ins letzte Detail fanden die einen, clevere Marketing-Strategie argumentierten die anderen.
Die Wahrheit lag irgendwo dazwischen. Sicher ist jedoch: Schweinsteigers Personenmarke wurde noch einmal auf ein neues Level gehievt, der Wechsel aus Bayern in den Nordwesten Englands war der Grundstein für die Karriere nach der Karriere. Womit sich der Weltmeister im Herbst seiner aktiven Laufbahn auseinandergesetzt hatte, sehen sich mittlerweile viele Jungprofis bereits zu Beginn ihrer Karriere konfrontiert. Es geht um die Fragen: Wer bin ich und wofür stehe ich? Schließlich werden nur ein Bruchteil aller Spieler einmal Champions-League-Sieger oder strecken den WM-Pokal in die Höhe.
Aus heutiger Sicht reicht es für Fußballprofis nicht mehr aus, nur gut Fußball spielen zu können. Mit dem ersten Vertrag bei einem Profiklub rücken sie automatisch ins Scheinwerferlicht. Soziale Medien beschleunigen diesen Vorgang enorm. Kommen zusätzliche Faktoren wie sportlicher Erfolg und Kompetenz im Umgang mit der Öffentlichkeit hinzu, erhöht sich die Aufmerksamkeit für diese Spieler rasant. So weit, so gut. Bei ausbleibenden sportlichen Leistungen und dem falschen Umgang mit der Öffentlichkeit kann diese Schnelllebigkeit jedoch zu einer Art Bumerang werden, die eine Karriere ins Stocken bringt, bevor sie überhaupt richtig beginnt. Beispiele gibt es für beide Richtungen genug. Daher ist es für Fußballprofis mittlerweile essenziell, der Karriere frühzeitig einen Mehrwert zu geben, der die eigene Personenmarke definiert, sich von anderen Spielern abgrenzt und einen nachhaltigen Charakter entwickelt.
Allerdings sind Spieler, Trainer und Entscheider im Profifußball viel zu oft schlecht beraten. Bei der Karriereplanung fehlt es den handelnden Personen hinter den Protagonisten häufig an Weitsicht. Das schnelle Geld durch Transfererlöse oder einem Sammelsurium aus Sponsoring-Deals mit unterschiedlichsten Marken und Unternehmen ist die oberste Maxime. Nachhaltigkeit? Fehlanzeige.
Der Fußball-Markt entwickelt sich extrem schnell. Innovationen sind stets notwendig, wenn man am Ball bleiben möchte. Dennoch gibt es europaweit keine Agentur, die den Fokus darauf legt, den persönlichen Markenwert eines Spielers unabhängig vom sportlichen Marktwert zu erhöhen. Bislang gelingt das entweder Superstars wie Cristiano Ronaldo oder Spielern, die diese Dringlichkeit erst am Ende ihrer aktiven Laufbahn erkennen – wie Bastian Schweinsteiger.
Der 34-Jährige konnte nach seinem Wechsel zu Manchester United sportlich nicht mehr für Furore sorgen. Das war jedoch nicht schlimm, denn nach anderthalb Jahren in der Premier League wechselte er in die US-amerikanische Major League Soccer zu Chicago Fire. Dort arbeitet er daran, dass er seine Personenmarke auf einem neuen Kontinent präsentiert – und für die Karriere nach der Karriere gerüstet ist. Achja, und nebenbei spielt er Fußball.